Was ist dein „Lieblings-Osterlied?“ Den meisten in unserer Gemeinde fällt die Antwort leicht: „Auferstanden, auferstanden ist der Herr“! Das Lied hat auf viele Menschen einen tiefen Eindruck gemacht. Es wird nicht nur am Ostermorgen gesungen, sondern immer wieder auch am Grab. Es ist ein starkes Zeugnis unserer Auferstehungshoffnung!
Nüchtern betrachtet ist das etwas seltsam. Der Text des Liedes und auch sein musikalischer Ausdruck passen eigentlich nicht in unsere Zeit. Sie sind deutlich vom Empfinden der Frühromantik geprägt. Unser altes Gesangbuch hatte für diese Epoche die Überschrift „Aus der Väter Tagen“. Der Textdichter, Friedrich Mohn, hat Bücher geschrieben, wie „Das goldene ABC für Jünglinge und Mädchen“ oder „eine Schrift für gefühlvolle und teilnehmende Seelen“. Und dem Komponisten, Carl Gotthelf Gläser, kann man getrost einen Hang zu triumphaler Musik nachsagen. Dazu gehört z.B. seine Phantasie „Die große Völkerschlacht bei Leipzig“ aber auch unser methodistischer Schlager „Mein Mund besinge tausendfach den Ruhm des Herrn der Welt“.
Wer das Auferstehungslied mit wachem Verstand singt, muss eigentlich schon in der ersten Strophe stolpern: Was sind denn die „ewgen Lichtgewande der Verklärung“, in denen Jesus wandelt? Oder was ist das für ein „Beben“, von dem die zweite und dritte Strophe singt?
Es lohnt sich, hinter den überkommenen Ausdrucksformen die eigentliche Aussage zu entdecken: Mit tiefen, langgezogenen Akkorden beginnt das Lied. Wie aus einer dunklen Grabeshöhle kommt da eine Botschaft ans Licht, die so unfassbar ist, dass sie extra noch einmal wiederholt werden muss: „Auferstanden, auferstanden ist der Herr!“ Mit dem zweiten „auferstanden“ steigt die Melodie tatsächlich in große Höhe und die Botschaft nimmt Tempo auf: Sie zeigt einen Jesus, der die Schwere von Leid und Tod überwunden hat. Die „ewgen Lichtgewande der Verklärung“ sind ein Zeichen dafür, dass er zur göttlichen Welt gehört. Kein Dunkel konnte ihn festhalten. Das hat Konsequenzen für unser eigenes Leben:
Es gibt keinen Grund zur Angst mehr – wir brauchen nicht zu beben vor der Endlichkeit unseres Lebens. Selbst der Gang zum Friedhof muss nicht mehr beklemmend für uns sein. An dieser Stelle wird das Lied sehr persönlich: Du sollst leben! Weil Jesus lebt, sollst du es auch! Seine Lebensgabe wirft ein neues Licht selbst auf die dunkelsten Gräber.
So können wir mit der letzten Strophe die Auferstehungsbotschaft als eigenes Glaubenszeugnis singen:
„Auferstehen, auferstehen werd auch ich!“ Wie sieht das aus? Das Lied, das um starke Worte nicht verlegen ist, sagt dazu fast nichts – nur das: Ich werde den Auferstandenen sehen! Jesus, der in dieser Welt an meine Seite gekommen ist, weckt mich auch zum Leben in der ewigen Welt. Das Leben habe ich in der Gemeinschaft mit ihm.
So sagt es auch der Apostel Paulus in unserem Monatsspruch aus Römer 14,9: „Leben wir, so leben wir dem Herrn. Sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Egal, ob wir leben oder sterben – wir gehören dem Herrn. Denn Christus ist gestorben und auferstanden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.“
Das Lied endet wieder mit langen Akkorden – aber sehr bewusst eine ganze Oktave höher. Die Aussage ist klar: Unser Leben darf zum Ziel kommen in Gottes ewiger Welt.
Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich ein frohes Osterfest und viel Freude beim Einstimmen in die Osterlieder!
Euer Pastor Rainer Mittwollen